Att08Chap2Experiment

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Experiment

Das Experiment in der Sozialforschung
Funktion und allgemeine Begriffsbestimmung des Experiments

Das Experiment hat gegenüber der Messung und ohne Kontrollgruppe drei entscheidende Vorteile:

  1. Es bietet die Möglichkeit, Versuchspersonen und –gegenstände in einem „künstlich“ gestalteten Prozess einzufügen und somit soziale Zusammenhänge unter (ständiger) Kontrolle darzustellen oder zu reproduzieren.
  2. In einem Experiment können „Extremsituationen“ konstruiert und die jeweiligen Hypothesen unter strengen Prüfungsbedingungen getestet werden.
  3. Das Experiment, nach naturwissenschaftlichem Vorbild, gilt als die sicherste Methode der empirischen Sozialforschung, Kausalbeziehungen im Bereich sozialer Phänomene festzustellen.

Als Experiment wird eine wiederholbare Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen verstanden. Dabei werden eine bzw. mehrere unabhängige Variablen so manipuliert, dass eine Überprüfungsmöglichkeit der zugrunde liegenden Hypothese (in der Behauptung eines Kausalzusammenhanges) in unterschiedlichen Situationen gegeben ist. (Zimmermann 1972)

Grundbedingungen

Folgende Grundsätze sind bei der Anwendung eines Experiment zu beachten:

  1. Zur Bildung von Hypothesen müssen die dem Forschungsproblem entsprechenden Variablen bzw. Faktoren identifiziert sein.
  2. Aufstellen einer Hypothese, die eine Kausalbeziehung enthält über einen Zusammenhang zwischen verursachenden Faktoren (unabhängige Variable) und bewirkten Faktoren (abhängige Variable)
  3. Die zu betrachtenden Variablen müssen von anderen Variablen isolierbar sein, damit ihre Beziehungen zueinander kontrolliert werden können.
  4. Die unabhängige Variable muss variierbar sen.
  5. Es muss gewährleistet sein, solche Manipulationen wiederholen zu können.
 Soziale Situation 
Verursachende Faktoren -> Person(en) -> soz. Verhalten als bewirkter Faktoren
 Unabhängige Variable  abhängige Variable

Die Faktoren können zweiwertig (abwesend, gegenwärtig) oder quantitativ sein.

Deterministisch: Untersuchung von Hypothesen, die die abhängigen Zustände oder Ereignisse theoretisch als vollständig durch die unabhängige Variablen bestimmt annehmen.

Stochastisch: statistisch vorgehend, mit Zufall und Wahrscheinlichkeit arbeitend.

Eine sich in den Zusammenhang zwischen einer abhängigen und einer unabhängigen Variable beiläufig einmischende Variable wird als intervenierende Variable bezeichnet.

Verschiedene Arten von Experimenten
Laboratorium- und Feldexperiment
  • Laboratoriumsexperiment
    Dabei wird ein Sachverhalt oder Vorgang unter planmäßig vereinfachten „reinen“ Bedingungen untersucht. Experimentalgruppe und Kontrollgruppe wird in einer künstlichen Situation darauf beobachtet, ob ein Kausalfaktor (=unabhängige Variable) auch tatsächlich die ihm zugeschriebene Wirkung (=abhängige Variable) hervorruft.
  • Feldexperiment
    Hier wird der zu untersuchende Gegenstand nicht aus seiner natürlichen Umgebung herausgelöst. Es können zwei kontrahierende Gruppen in ihrer realen Umwelt untersucht werden, von denen eine dem (angenommenen) Kausalfaktor ausgesetzt ist.
Projektives Experiment / Ex-post-facto-Verfahren
  • Projektives Experiment
    Beginnt mit der Einführung eines neuen Reizes und verfolgt dessen Auswirkung.
  • Ex-post-facto-Verfahren
    Sind Untersuchungen eines bereits abgeschlossenen sozialen Prozesses, dessen Entwicklungen bis zum Einsetzen als kausal angenommenen Faktors zurückverfolgt wird (Kein "echtes" Experiment).
Simultan- und sukzessiv Experiment
  • Simultanexperiment
    Hier werden zwei oder mehrere Gruppen gleichzeitig untersucht bzw. beeinflusst.
  • Sukzessives Experiment
    Dieselbe Gruppe wird vor und nach der Einwirkung eines Reizes untersucht.

Experimente lassen sich danach unterschieden, inwieweit ausschließlich mit einer Gruppe (ist zugleich Versuchs- und Kontrollgruppe) oder mit einer Versuchs- und Kontrollgruppe operiert wird. Der Aufbau des Experiments kann Messungen zu zwei Zeitpunkten oder nur zu einem Zeitpunkt erfordern > daraus ergeben sich 4 Experiment-Typen.

Simulation und Planspiel

Einsatz Mathematischer Modelle.

Vorteil: Analyse genauer, da Mehrdeutigkeiten ausgeschlossen werden. Fehler, Irrtümer, Unterlassungen schneller erkennber.

Nachteil: Nuancen gehen verloren, Komplexität menschlichen Verhaltens schwer Formalisierbar.

  • Simulation
    Modell eines Systems (Gruppe) -> Variablen und deren Interdependenzen sind bekannt -> Variablen werden manipuliert. Ermöglicht die Prüfung der Konsistenz von Hypothesen, gewährleistet keine empirische Relevanz. Eng verbunden mit Computer.
  • Planspiel
    Setzt das kennen des Verhaltens der Komponenten (Modelle) nicht voraus. Verhalten soll untersucht werden, Situation wird Simuliert. Es fehlt der eigentliche Plan (Hypothese).
Techniken und Probleme bei der Kontrolle des Experiments
Technik der Kontrolle

Präzision der Kontrolle von Experimentalgruppe oder- Personen sowie das beherrschen der Situation ist mitbestimmend für den Grad der Genauigkeit von Folgerungen.

Bei fehlerhafter Kontrolle, gibt es keine Gewissheit über das tatsächliche bestehen eines Kausalzusammenhangs. Fehlt beim Experiment die exakte Kontrolle, bleibt offen, ob die beobachtete Wirkung auf die hypothetische Ursache zurückführen ist oder einem unkontrollierten Faktor zuzuschreiben ist. Die Kontrollmöglichkeiten unterscheiden sich je nach Art des Experiments.

  • Feststellung der bedeutsamen Faktoren
  • Aussondern der Faktoren, die wirksam kontrolliert werden können
  • Zwei Verfahren der Kontrolltechnik
    • Gleichsetzung von Faktoren
      Versuchs- und Kontrollgruppe gleichen sich bis auf unabhängige Variable
    • Herstellung maximaler Zufallsstreuung
      Kontrolle störender Variablen entsprechend der Wahrscheinlichkeitstheorie. Auswahl der Gruppen nach Zufallsverfahren.
Probleme bei der Kontrolle des Experiments
  • Interdependenz: und die enge Verflechtung sozialer Einflussfaktoren verhindern häufig den zu untersuchenden Wirkungsfaktor, vollständig von der Kontrollgruppe zu isolieren. Daher erweist sich ein projektives simultanes Experiment als schwierig. Stattdessen entscheidet man sich für das projektive sukzessives Experiment. Vorteil, dass die Verflechtung einer einzigen Gruppe die Gleichsetzung der Faktoren besser gewährleistet ist.
  • Nachteil vom sukzessiven Experiment: Experiment und Kontrolle werden mit derselben Gruppe durchgeführt, jedoch mit zeitlichem Abstand. Soziale Dynamik kann inzwischen entstehen. Gewohnheiten können sich verändern, Wandel von Normen kann vollzogen werden.

Beim simultanen Experiment wird gleichzeitig mit einer Versuchs- und Kontrollgruppe gearbeitet.

Einwände gegen das Experiment in den Sozialwissenschaften
„Self full filling” und “Self destroying prohecy”

Da man in der Lage ist, über diese Effekte selbst Hypothesen zu bilden und nachzuprüfen, können Sie diese mit einbezogen werden. Die Künstlichkeit des Experiments, die konstruierte Situation vermindert die Wirkung dieser Effekte.

Das Experiment ist selektiv

Berücksichtigt die soziale Realität nur unvollkommen -> Die bestätigten Hypothesen werden in Anwendung auf wirkliche Situationen versagen. -> Führt zurück auf die Vorläufigkeit aller Theorien.

Ethische Vorbehalte

Unmittelbarer Eingriff in die Daseinssphäre des Beobachteten -> Es darf nicht leichtfertig ohne vorherige, hinreichende theoretische Klarheit experimentiert werden.