Skalierungsverfahren

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Skalierungsverfahren

Funktion Begriffsbestimmung
Begriffe

Dimension: qualitative Bereiche bzw. Verursachungsaspekte eines sozialen Phänomens.

Skalen: Messinstrumente, mit denen die (relative) Größe, Position, das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein einer wissenschaftlich relevanten Einheit (Dimension) auf einem Kontinuum numerisch, d.h. zahlenmäßig bestimmt werden können.

Messen: Zuordnen von Zahlen zu einer Dimension entsprechend einem gehwählten Verfahren.

Index: Messzahl der Sozialstatistik, die das relative Verhältnis mehrerer Zahlen zueinander angibt.

Indikatoren als Grundelemente der Skalierung

Indikatoren: Grundanzeiger durch die wir Informationen über Attitüden, Verhaltenserwartungen oder tatsächliches Verhalten der zu untersuchenden Personen oder Gruppen erhalten wollen.

  • subjektive Indikatoren (Attitüden, Verhaltenserwartungen)
  • objektive Indikatoren (beobachtetes Verhalten)

Bedingungen:

  • Jeder Indikator ist eindeutig definiert
  • Indikatoren beinhalten relevante Aspekte von Verhaltensweisen bzw. untersuchten sozialen Tatsachen
  • Indikatoren sind ansprechend (hoher "Aktualitätsgrad")
Gültigkeit (Validität) und Verlässlichkeit (Reliabilität)

Gültigkeit ist Maß für Brauchbarkeit von Forschungsmethoden. Praktische Prüfung schwierig. Möglichkeiten

  • expert validity
    Experten schätzen Gültigkeit der Skala ein.
  • known group
    Mittelwert einer Gruppe die die Skala bewertet wird genommen.
  • predictive validity
    Beobachtete Verhaltensweise entsprichte (korreliert mit) der durch die Skala ermittelten Einstellung
  • constructed validity
    Gültigkeit wird durch Bestätigung einer Hypothese ermittelt.

Verlässlichkeit ist maß für die Brauchbarkeit des wissenschaftlichen Instruments. Bedeutet Stabilität der Messwerte. Ausmaß der Streuung des Instruments bei wiederholtem Messen.

Praktische Prüfung:

  • Retest
  • split-half-Verfahren
Klassifizierung der Skalierungsverfahren

Merkmale für Klassifizierung:

  • Skalen, die bei der Erhebung der Daten gebildet werden, indem die Untersuchungsperson ihre Antworten selbst skalenmäßig einstuft
  • Skalen, die erst bei der Analyse der Daten aufgestellt werden
Messniveau (Skalennivau) der Verfahren

Skalentypen:

  • Nominal-Skalen
    Bezeichnen zahlenmäßig diskontinuierliche Folgen von Tatbeständen.
  • Ordinal-Skalen
    Liefern numerische Aussagen über die Abfolge von Tatbeständen zwischen Extrempunkten, d.h. über die Abfolge der Stärke der gemessenen Eigenschaft.
  • Kardinal-Skalen:
    • Intervall-Skalen (Kardinal-Skala)
      Gibt die numerischen Werte der einzelnen Abstände in der Rangfolge an.
    • Relations- bzw. Ratio-Skalen (Verhältnisskala, mit absolutem Nullpunkt)
      Bieten die Möglichkeit, Abstandswerte quantitativ in Beziehung zu setzen.

Beispiel (Wikipedia)

Was wird gemessen
  • Objekt der Umwelt der Untersuchungseinheit
  • Dimension des Untersuchungsobjekts selbst
  • Verhältnis von Untersuchungseinheiten zueinander
Wichtige Skalierungsverfahren
Rangordnung und Paarvergleich

Zur Messung subjektiver Einschätzungen, Bewertungen von Objekten durch Versuchspersonen oder auch Experten verwendet.

Rangordnung

z.B. 15 Berufe -> Jeder mit Zahl zw. 1 und 15 belegt. -> Mit zunehmender Menge der zu vergleichenden Elemente Zuordnung schwieriger

Paarvergleich (paired comparison)

Nur jeweils ein Paar zum Vergleich -> Rangfolge ergibt sich aus allen Paaren.

Bei konsistenten Antworten kommt man zu einer Ordinal-Skala bei inkonsistenten Antworten über eine komplizierte Umformung zu einer Intervall-Skala.

Polaritätsprofil (semantic differential)

Bedeutungsanalyse von Begriffen und Vorstellungen. Ermittlung von Einstellungen und Stereotypen in dem geprüft wird, welchen Eindruck Begriffe oder Objekte der Umwelt auf die befragten Personen machen.

Eigenschafts-Gegensatzpaare ohne unmittelbar sachlichen, jedoch assoziativem Bezug. Es werden hauptsächlich drei Dimensionen gemessen (Osgood):

  • Bewertung (z.B. gut-schlecht)
  • Stärke (z.B groß-klein)
  • Aktivität (z.B. aktiv-passiv)

Je Dimension müssen gleich viele Gegensatzpaare aufgenommen werden. Auswertung in Polaritätsprofilen oder mathematisch-statistisch. Polaritätsprofile eignen sich für vergleichende Untersuchungen z.B. Selbst-, Fremdeinschätzung.

Verfahren der gleich erscheinenden Abstände nach Thurston

Angaben/Aussagen werden Experten vorgelegt, die sie in eine elf Intervalle umfassende Skala einordnen (positiv - neutral - negativ). Für die Untersuchung werden die Statements verwendet, die von den Experten ähnlich eingeordnet wurden (geringste Streuung auf der Skala). Der Mittelwert der Einordnung bildet den Skalenwert eines Statements.

Die Befragten erhalten die ausgewählten Statements mit der Bitte um Zustimmung oder Ablehnung. Mittelwert der Skalenwerte drückt die Einstellung der Befragten zum Gegenstand aus.

Wird selten angewendet. Schwachstelle: Selektion der Sachverständigen (Experten).

Verfahren der summierten Einschätzung nach Likert

Statements werden Befragten zur Beurteilung Einordnung in Skala (4 - 0, stimme stark zu - lehne stark ab) vorgelegt. Zahlen des Befragten werden den Antworten entsprechend addiert -> 2 Gruppen (25% höchste Summe, 25% niedrigste Summe). Untersuchung jedes Statements auf unterschied in der Beurteilung durch diese beiden Gruppen. Mittelwert beider Gruppen wird berechnet und verglichen. Statements die sich signifikant unterscheiden, werden für die endgültige Skala ausgewählt. Diese Skala wird den Personen vorgelegt, deren Einstellung gemessen werden soll.

Skalogramm-Analyse nach Guttman

Im Zusammenhang mit sozialwissenschaftlichen Untersuchungen bei den amerikanischen Streitkräften im 2-ten Weltkrieg entwickelt. Ziel: homogene Skala, durch die Personen mit gleichen Attitüden bzw. Verhaltensweisen gleiche Antwortmodelle haben.

Methode: Errichtung einer Einstellungs-Mess-Skala mit Indikator-Fragen die monoton, abrupt ansteigende Reaktionskurven haben z.b. "Sind sie älter als 50 Jahr?. Indikator-Fragen werden so gereiht, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die selbe Reaktion auslösen. Aus der Einordnung in der Skala kann abgelesen werden, welche Indikatoren von den Befragten bevorzugt werden. Indikatoren werden in eine Rangordnung gebracht (positivster -> negativster) -> n Indikatoren mit n Rängen.

Wenn Personen  einem Indikator zustimmen erhalten Sie einen Punkt, wenn sie ablehnen nicht -> Verhältniskriterium  aus der Summe der gewichteten Antworten zu den Indikatoren.

Funktioniert nur bei einem Idealmodell (keine inhomogenen oder widersprüchlichen Antworten), wird bei mehr als 10 Indikatoren kaum verwendet.

Zusammenfassung

Von rein schematischer Einsatz einzelner Verfahren ist abzuraten (Techniken kombinieren). Wichtig:

  • Präzise Abgrenzung der Einstellungsgebiete
  • Sorgfältige Formulierung relevanter Indikatorfragen
  • Logisch richtiger Einbau der Forschungstechnik in Untersuchungsplan

Wichtiger als Wahl des Verfahrens, da Verfahren praktisch zu gleichen Ergebnissen führen.