Pryz08Chap2Methodologie

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Methodologie und Standards qualitativer Sozialforschung

Zugang: Methodisch kontrolliertes Fremdverstehen

"Unausweichliche Vagheit" ist konstituierendes Moment der Kommunikation. -> Fülle von Regeln um mit dieser Vagheit zurecht zu kommen. -> Jede Form der Kommunikation ist: "Fremdverstehen"

Konstruktion ersten Grades (Interpretation) -> Femdverstehen

Zwei Wege im Umgang:

  • Kommunikation jedes spezifischen Verweiszusammenhangs zu einkleiden (standardisierte Erhebungsverfahren)
  • kontrollierte Methode des Fremdverstehens  -> Kommunikation soweit wie möglich in spezifischen Verweisungszusammenhang "einfangen"

Methodische Kontrolle ->

  • Bei Erhebung wird der Kontext von den Untersuchten selbst gestaltet
  • Bei der Auswertung werden die Äußerungen im Kontext dieser Erzählungen interpretiert.
Analyseeinstellung: Subjektiver Sinn versus Struktur der Praxis

Zwei Analyseeinstellungen/Beobachterhaltungen (qualitative Methoden):

  • Konstruktion zweiten Grades (Schütz)
    Deskriptiv orientiert: Erschließen von subjektiven Deutungen und Einstellungen bzw. Alltagstheorien
  • Auf Prozessstruktur der Herstellung gerichtet
    Herrstellungsregeln, Sinnstruktur die dem Handeln zugrunde liegt.

Unterscheidung zwischen zwei Sinnebenen: Rekonstruktion der Common-Sense-Theorien (Konstruktion zweiten Grades) bzw. Ausrichtung auf praktisches, habituelle Handeln (Prozessstruktur der Herstellung)

"Klassische" Gütekriterien: Validität, Reliabilität und Objektivität

Quantitative Methoden: Qualitätskriterien für die Zuverlässigkeit der Datenerhebung, die Repräsentativität der Datenauswahl und die Gültigkeit der (generalisierten) Aussagen.

Validität - Gültigkeit

Quantitative Methoden: Kennzeichnet, ob und inwieweit die wissenschaftliche, begrifflich-theoretische Konstruktion dem empirischen Sachverhalt, dem Phänomen, auf welches sich die Forschungsbemühungen richten, angemessen ist.

Qualitative Methoden sind schon aufgrund ihrer Ausgangsdaten näher am Phänomen. Kriterium: adäquate Rekonstruktion. formale Prinzipien der Gestaltung. -> Welche impliziten Regel(mäßigkeit)en ermöglichen es uns, uns im Alltag zu verständigen, welche Formen/Träger unmittelbaren Verständnisses gibt es.

Reliabilität - Zuverlässigkeit

Quantitative Methoden: Bezeichnet die Möglichkeit der exakten Reproduzierbarkeit einer empirischen Untersuchung, die Genauigkeit der Messung oder die "Reproduzierbarkeit von Messergebnissen".

Qualitative Methoden: wenig vorab interpretiert -> Sind Ergebnisse, Untersuchungen prinzipielle replizierbar? -> Rekonstruktion der alltäglichen Standards der Verständigung und Interaktion; Nachweis der Reproduktionsgesetzlichkeit der Fallstruktur.

Interpretation nicht primär Zusammenfassung der Themen, sonder wie Themen entwickelt werden und welche Strukturen dahinter wiederkehrend zum Ausdruck kommen. -> Suche nach wiederkehrenden identischen Strukturen (Homologien)

Objektivität

Was objektiv ist, ist noch lange nicht wahr. -> Objektivität schwächeres Kriterium als Validität und Reliabilität. -> intersubjektive Überprüfbarkeit von Ergebnissen.

Quantitative Methoden: Wieweit ist die Vorgehensweise standardisiert und damit intersubjektiv überprüfbar/kontrollierbar. -> Untersuchte: Standort außerhalb des sozialen Gefüges.

Qualitative Methoden: Standort der Untersuchten innerhalb des sozialen Gefüges, keine erkenntnislogische Differenz zwischen Untersuchenden und Untersuchten vorausgesetzt. -> möglichst vollständige Erfassung der Kommunikation und damit der Träger von Bedeutung. -> alltägliche Standards: Strukturen die wechselseitiges Verstehen sichern

Weiter reichende Qualitätsstandards: Metatheoretische Fundierung und Generalisierbarkeit

Vorurteil gegen qualitative Methoden: Verzicht auf theoretisches (Vor-)Wissen, unterschiedlicher Forschungsverlauf.

Forschungsablauf hypothesenprüfender Verfahren
  • Erkenntnisinteresse (basierend auf gegenstandsbezogene Theorie)
  • Formulierung von Forschungsfragen und Hypothesen
  • Operationalisierung (Messbar machen)
    Egal ob Ergebnisse der Messung Hypothesen falsifiziert oder bestärkt, sie müssen interpretiert werden.
Forschungsablauf rekonstruktiver Verfahren
  • Erkenntnisinteresse und empirische Annäherung (basierend auf Metatheorie, begrifflich-theoretische Grundlagen) Metatheorie
  • Wahl der Methoden die Erhebung, Interpretation ermöglichen
  • Ergebnis -> gegestandsbezogene Theorien.

Qualitative Methoden arbeiten dort, wo Fragen der Generalisierung ernst genommen werden, mit dem systematischen Vergleich, der komperativen Analyse. -> Typenbildung

Zwei Modelle zur Typenbildung:

  • Aspekte des Falls in ihrem inneren Zusammenspiel typologisch erfassen (sich reproduzierender Verweiszusammenhang) z.B. objektive Hermeneutik
  • Bestimmung der Grenzen eines Typus durch Beobachtung unterschiedlicher Typiken z.B. dokumentarische Methode
Methodenentwicklung und Methodenaneignung: Praxeologie

Qualitative Methoden rekonstruieren nicht nur ihren Gegenstand, sie beruhen selbst auf einer Rekonstruktion der Forschungspraxis bzw. des wissenschaftlichen Handelns. -> Jede wissenschaftliche Erkenntnis steht in Zusammenhang mit einer sozialen Praxis, einer Forschungstradition.

Aneignung von Methoden nicht primär auf Weg der Vermittlung methodischer Prinzipien, sondern der Einbindung in die Forschungspraxis, der Aneignung eines Modus operandi, eines Habitus.

Potenziale: Transdisziplinarität und Verbindung von Grundlagen- und Anwendungswissenschaft
  • transdisziplinär
    Keine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen theoretischen Zugängen -> gemeinsame Rekonstruktion des Forschungsgegenstandes.
  • interdisziplinäre Grundlagen- und Anwendungswissenschaft.