Der semantische Desktop

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Die Idee des semantischen Desktop ist wohl das beste Beispiel dafür, dass das Semantic Web nicht nur auf das Web beschränkt ist, sondern einen Beitrag zu unserer täglichen Arbeit leisten will. Der Computer ist für einen Wissensarbeiter wohl mittlerweile das primäre Werkzeug, mit dem er seine Arbeit verrichtet. Informationen werden per Mail ausgetauscht, Adressen und Termine verwaltet, Dokumente in Ordnersystemen abgelegt, und dabei erstellt sich jeder sein eigenes Organisationssystem und seine eigene Sicht auf seine Daten. Ein Problem dabei ist natürlich, dass die Daten in verschiedenen Systemen abgelegt sind, die mehr oder weniger gut miteinander interagieren können.

Der Begriff Semantic Desktop wurde von Stefan Decker um 2003 eingeführt und von Leo Sauermann aufgegriffen, der gemeinsam mit Ansgar Bernardi und Andreas Dengel in ihrem Artikel „Overview and Outlook on the Semantic Desktop” der Idee des Semantic Desktop folgende Definition gab:

A Semantic Desktop is a device in which an individual stores all her digital information like documents, multimedia and messages. These are interpreted as Semantic Web resources, each is identified by a Uniform Resource Identifier (URI) and all data is accessible and queryable as RDF graph. Resources from the web can be stored and authored content can be shared with others. Ontologies allow the user to express personal mental models and form the semantic glue interconnecting information and systems. Applications respect this and store, read and communicate via ontologies and Semantic Web protocols. The Semantic Desktop is an enlarged supplement to the user’s memory.1

Hier werden die Technologien des Semantic Web wieder auf den Desktop zurückgebracht, um uns dabei zu unterstützen, unser eigenes Wissensorganisationssystem aufzubauen. Im Wesentlichen gibt es zwei Ansätze zur Umsetzung dieser Idee:2

  • Der monolithische Ansatz
    Im monolithischen Ansatz wird versucht, die gesamte Funktionalität, die der Benutzer zum Arbeiten braucht, in eine Anwendung zu integrieren. Ein Beispiel für diesen Ansatz wäre Haystack, ein Projekt des MIT (Massachusetts Institute of Technology).
  • Der integrative Ansatz
    Der integrative Ansatz basiert darauf, dass die auf verschiedene Anwendungen verteilten Daten eines Benutzers zu einem persönlichen Informationsmodell integriert werden. Dabei werden die bestehenden Anwendungen weiter verwendet und ihre Daten über Adaptoren integriert. Ein Beispiel für diesen Ansatz wäre Nepomuk, ein EU-Projekt zur Entwicklung eines Social Semantic Desktop, das vom DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) durchgeführt wird.

Wie man schon an den angeführten Projekten erkennen kann, steckt die Entwicklung des Semantic Desktop noch in den Anfängen und ist vor allem auf den Forschungsbereich beschränkt. Ein weiterer Ansatz in diese Richtung, der aber nicht unmittelbar der Idee des Semantic Desktop folgt, aber schon einen hohen Reifegrad erreicht hat, ist das Semantic Discovery System. Das Semantic Discovery System ist ebenfalls ein Desktop Programm, das es einem ermöglicht mit Hilfe semantischer Technologien Daten aus verschiedenen Quellen (z.B. Excel, Datenbanken usw.) zu verbinden und einfach abfragen zu generieren. „SDS is doing, what semantic web enterprises promised for years: An application that allows users to formulate sophisticated questions on their datasets and getting back data without writing SQL statements or going down to OWL concepts.”3

  1. ^ Sauermann 2005, S. 3
  2. ^ Sauermann 2005, S. 165 ff
  3. ^ Thurner 2009, Stand 14.5.2009.