Web 2.0 oder Social Web
Web 2.0 oder Social Web
Der Begriff Web 2.0 wurde 2004 - also in etwa drei Jahre nach dem Platzen der Dotcom-Blase - von Dale Dougherty (O'Reily Verlag) und Craig Cline geprägt, die beim Brainstorming feststellten, dass das Web nach dem Platzen der Dotcom-Blase keineswegs an Bedeutung verloren hatte, sondern im Gegenteil beständig weitergewachsen war. „Could it be that the dot-com collapse marked some kind of turning point for the web, such that a call to action such as “Web 2.0” might make sense? We agreed that it did, and so the Web 2.0 Conference was born.”1 Wobei das Web 2.0 nicht - wie man aus der Namensgebung schließen könnte - eine neue Version des Internets ist, sondern viel stärker von einem anderen Umgang mit dem Internet geprägt ist und von Applikationen, die für diesen neuen Umgang stehen. Das Hauptmerkmal ist sicher, dass das Web 2.0 von der Beteiligung seiner Benutzer lebt, in diesem Kontext wurde und wird die Namensgebung kritisch diskutiert und bald auch der Begriff „Social Web” und für Applikationen, die dieses Prinzip unterstützen, der Begriff „Social Software” eingeführt. In seinem Artikel „What is Web 2.0” beschreibt Tom O'Reilly die aus seiner Sicht wesentlichen Bedingungen für Web 2.0 und damit auch für das Social Web:2
- The Web As Platform
- Harnessing Collective Intelligence
- Data is the Next Intel Inside
- End of the Software Release Cycle
- Lightweight Programming Models
- Software Above the Level of a Single Device
- Rich User Experiences
Im Folgenden werden die einzelnen Bedingungen kurz etwas genauer ausgeführt.
The Web As Platform
Das bedeutet, es geht nicht mehr darum, Software als Produkt zu verkaufen, sondern im Web Services zur Verfügung zu stellen, die um so besser werden, je mehr sie genutzt werden. Den Wert stellt in diesem Fall auch nicht mehr die Software dar, die hinter den Services steht, sondern die Daten, die von den Benutzern über die Services gesammelt werden (z.B. Google, eBay). „There’s an implicit “architecture of participation”, a built-in ethic of cooperation, in which the service acts primarily as an intelligent broker, connecting the edges to each other and harnessing the power of the users themselves.”3
Harnessing Collective Intelligence
Wie schon zuvor angedeutet, lebt das Web 2.0 von seinen Benutzern und dem Beitrag, den sie liefern. Seien es jetzt Wikis, mit denen online und kollaborativ „Wissen” erzeugt wird (z.B. Wikipedia), Social Bookmarking Systeme, in denen Links ausgetauscht und gemeinsam Linksammlungen zu Themen aufgebaut, verschlagwortet und kommentiert werden (z.B. delicious), oder Blogs, die es jedem, der das will, ermöglichen, seine Gedanken oder auch seine Expertise auf einfache Weise zu publizieren. Hier manifestiert sich auch ein weiteres Kennzeichen des Web 2.0, es ist dynamisch und seine Inhalte ändern sich permanent und es sind die Benutzer, die für diese Änderungen stehen. „The world of Web 2.0 is also the world of what Dan Gillmor calls “we, the media,” a world in which “the former audience”, not a few people in a back room, decides what’s important.”4
Data is the Next Intel Inside
Wie ebenfalls schon zuvor erwähnt, sind es die Daten, die in den Services gesammelt werden, die den Wert von Web 2.0 Anwendungen darstellen. Noch besser gesagt, nicht die Daten an sich, sondern der „kreative” Umgang mit diesen Daten. Denn durch die Kombination bzw. Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen (Mashups) kann wiederum ein Mehrwert für den Benutzer generiert werden. Dies hat natürlich auch eine Schattenseite: Wenn die Daten von den Benutzern generiert werden, stellt sich natürlich die Frage, wem gehören diese Daten und wie wird damit umgegangen? „A further point must be noted with regard to data, and that is user concerns about privacy and their rights to their own data. In many of the early web applications, copyright is only loosely enforced. [...] However, as companies begin to realize that control over data may be their chief source of competitive advantage, we may see heightened attempts at control.”5
End of the Software Release Cycle
Web 2.0 bietet keine Programme, sondern Services, die genutzt werden, und auch in der Entwicklung ist das Paradigma der Beteiligung der Benutzer immanent. Die Benutzer werden zu „Entwicklern” bzw. zu „Testern” gemacht, indem ihr Verhalten bei der Entwicklung der Services berücksichtigt wird. „The open source dictum, “release early and release often” in fact has morphed into an even more radical position, “the perpetual beta,” in which the product is developed in the open, with new features slipstreamed in on a monthly, weekly, or even daily basis.”6
Lightweight Programming Models
Das bedeutet, dass die Komplexität der angebotenen Services niedrig gehalten werden soll und einfache Möglichkeiten des Datenaustauschs bzw. der Weiterverwendung der Daten geschaffen werden sollen. Hierbei geht es nicht darum zu kontrollieren, was am anderen Ende mit den Daten geschieht, sondern um die Möglichkeit, diese in einer Art weiterzuverwenden, an die bisher noch nicht gedacht wurde, und damit neue Services zu schaffen, die den Wert der Daten wieder erhöhen. „When commodity components are abundant, you can create value simply by assembling them in novel or effective ways. Much as the PC revolution provided many opportunities for innovation in assembly of commodity hardware, [...] we believe that Web 2.0 will provide opportunities for companies to beat the competition by getting better at harnessing and integrating services provided by others.”7
Software Above the Level of a Single Device
Dies steht für ein weiteres Merkmal des Web 2.0. Die Anwendungen sind nicht mehr auf eine Plattform beschränkt und auch nicht an den lokalen Rechner gebunden. Letztendlich ist nur ein Browser notwendig, um auf sie zuzugreifen, denn ob man jetzt seinen Blog zu Hause am PC oder unterwegs am Handheld oder Telefon schreibt ist im Grunde genommen egal. „What applications become possible when our phones and our cars are not consuming data but reporting it? Real time traffic monitoring, flash mobs, and citizen journalism are only a few of the early warning signs of the capabilities of the new platform.”8
Rich User Experiences
Damit ist gemeint, dass Web 2.0 Anwendungen und die dahinterstehenden Technologien web- also browserbasierende Programme mit einer Benutzeroberfläche zur Verfügung stellen, die wie Desktop-Programme bedient werden können. GoogleDocs1 wäre ein Beispiel für ein Web 2.0 Textverarbeitungsprogramm, das nicht mehr lokal am eigenen Rechner läuft, sondern über den Browser online zugänglich ist. „Companies that succeed will create applications that learn from their users, using an architecture of participation to build a commanding advantage not just in the software interface, but in the richness of the shared data.”9
Die kritischen Aspekte des Web 2.0 oder Social Web sind auch schon an diesen Bedingungen des Web 2.0 abzulesen. Wenn die Daten vom Benutzer generiert werden, wem gehören sie dann? Wer gewährleistet, dass mit den Daten, die ich als Benutzer „zur Verfügung stelle”, korrekt umgegangen wird? Genau hier setzt auch die Kritik von Tim Berners-Lee am Web 2.0 an: „Now if you look at the social networking sites which, if you like, are traditional Web 2.0 social networking sites, they hoard this data. The business model appears to be, “We get the users to give us data and we reuse it to our benefit. We get the extra value.” [...] So, first of all, are they going to let people use the data? [...] Web 2.0 is a stovepipe system. It’s a set of stovepipes where each site has got its data and it’s not sharing it.”10
Dessen ungeachtet hat das Web 2.0 gezeigt, was durch die Einbeziehung der Nutzer in die Gestaltung des Web und seiner Inhalte alles erreicht werden kann. Für das Web 2.0 wurde als wesentliche Bedingung „Data is the Next Intel Inside” angeführt (siehe oben). Das Semantic Web wird wie im Abschnitt „World Wide Web versus Semantic Web“ gezeigt auch als „Web of Data” bezeichnet. „Skeptiker des Semantic Web nennen die vom World Wide Web Consortium entwickelten Standards und Methoden als zu kompliziert und Top-Down-getrieben [...] Im Gegenzug werfen Vertreter der Semantic Web Community die berechtigte Frage auf, welche technologischen und methodischen Alternative zur Verfügung steht, um die durch Bottom-Up-Prozesse rasch wachsenden Datenflut im Netz in den Griff zu bekommen [...]”11 Es liegt nahe, dass es mittlerweile zu einer Annäherung der beiden Standpunkte gekommen ist und der Begriff „Social Semantic Web” Einzug in den Diskurs gehalten hat.
Exemplarisch Liste einiger Web 2.0 Anwendungen
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ O'Reily 2005, Stand 12.5.2009
- ^ Berners-Lee 2008, Stand Stand 12.5.2009
- ^ Blumauer 2009, S. 5