SemZbSemantik

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1.1 Semantik

In einem Buch über das "semantische Web" sollte zunächst geklärt sein, was an diesem Konzept eines Internet der nächsten Generation semantisch ist. "Die Semantik (Bedeutungslehre) ist das Teilgebiet der Sprachwissenschaft (Linguistik), das sich mit Sinn und Bedeutung von Sprache beziehungsweise sprachlichen Zeichen befasst." [19]

In Neumüller wird folgende Definition verwendet: "... semantics is the study of meaning. As used by Charles Morris, that branch of semiotics devoted to studying the relationship between signs and their objects." [15, p.195] Wesentlich ist also einerseits die Unterscheidung zwischen Sinn (engl. "meaning") und Bedeutung (engl. "reference"). Neumüller [15] veranschaulicht dies anhand eines einfachen Beispiels: Morgenstern und Abendstern beziehen sich beide auf denselben Himmelskörper, nämlich die Venus, haben insofern dieselbe Bedeutung ("reference"), meinen ("meaning") jedoch unterschiedliche Dinge, genauso wie mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang Verschiedenes gemeint ist.

Diese in der Semiotik wichtige Unterscheidung nimmt in der zur Zeit eher aus Sicht der Informatik geführten Auseinandersetzung mit dem Semantic Web eine eher untergeordnete Rolle ein, umso wichtiger erscheint daher der Vergleich der Gebiete der Semiotik (Syntax, Semantik, Pragmatik), der anhand des semiotischen Dreiecks gezogen werden soll: Nach Charles S. Peirce ist jedes Zeichen untrennbar mit dem Bezeichneten (Gegenstand) und dem Interpret (Referent) in einer triadischen Struktur verbunden. 1 Die Syntax beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen den Zeichen untereinander2, der semantische Aspekt (wie bereits im vorigen Absatz erwähnt) mit den Beziehungen zwischen Zeichen und Objekten bzw. Gegenständen der Außenwelt und der pragmatische Aspekt mit den Beziehungen der Zeichen gegenüber den Interpreten und Kontexten. [13] Insofern ist der Begriff "Semantic Web" eigentlich zu kurz gefasst, da in der gegenwärtigen Debatte alle drei Aspekte berücksichtigt werden. In Anlehnung an John F. Sowa [20] handelt es sich offensichtlich um das "Semiotic Web"3:

"The Internet is a giant semiotic System. It is a massive collection of Peirce's three kinds of signs: icons, which show the form of something; indices, which point to something; and symbols, which represent something according to some convention. But current proposals for ontologies and metadata have overlooked some of the most important features of signs. A sign has three aspects: it is (l) an entity that represents (2) another entity to (3) an agent. By looking only at the signs themselves, some metadata proposals have lost sight of the entities they represent and the agents - human, animal, or robot - which interpret them."

Es scheint also, als hätte Tim Bemers-Lee mit der Ausrufung einer Roadmap zum "Semantic Web" [5] die Büchse der Pandora geöffnet, da die Auseinandersetzung mit Semantik im engeren Sinn jedenfalls seit über 100 Jahren geführt wird und die Bedeutungslehre weit über 2000 Jahre alt ist. Es ist daher kaum verwunderlich, dass an der Entwicklung eines globalen Projektes wie eben dem "Semantic Web", das nun im Gegensatz zum Internet der ersten Generation nicht einfach nur Daten übertragen soll, sondern auch Bedeutung vermitteln will, auch - und vor allem - Kultur- und Geisteswissenschaften mitwirken wollen und werden.

  1. ^ Siehe dazu auch die Beiträge von Budin und Ehrig u. Studer in diesem Band.
  2. ^ Für eine ergänzende Auseinandersetzung siehe auch den Beitrag von Weber u. Fröschl in diesem Band.
  3. ^ Siehe dazu: http://www.w3.org/MarkUp/, zuletzt aufgerufen am 3.1.2006.