Wiki source code of Entstehung sozialer Daten

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3 ===== Grundprobleme empirischer Sozialforschung =====
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5 Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung sozialer Tatbestände.
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7 Empirisch bedeutet Erfahrungsgemäß.
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9 Systematisch bedeutet, dass die Erfahrung der Umwelt nach Regeln zu geschehen hat. Der gesamte Forschungsablauf muss nach bestimmten Voraussetzungen geplant und in jeder Phase nachvollziehbar sein.
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11 Zu den empirisch wahrnehmbaren sozialen Tatbeständen gehören: beobachtbares menschliches Verhalten, von Menschen geschaffene Gegenstände, sowie durch Sprache vermittelte Meinungen.
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13 ====== Drei Hauptfragen ======
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15 * WARUM soll erfasst werden
16 * WAS soll erfasst werden
17 * Wie soll erfasst werden
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19 ====== Definition ======
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21 "Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung sozialer Erscheinungen. Empirisch bedeutet, dass theoretisch formulierte Annahmen an spezifischen Wirklichkeiten überprüft werden. "Systematisch" weist darauf hin, dass dies nach Regeln vor sich gehen muss. Theoretische Annahmen und die Beschaffenheit der zu untersuchenden sozialen Realität sowie die zur Verfügung stehenden Mittel bedingen den Forschungsablauf" (S. 5)
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23 Methoden: Die geregelte und nachvollziehbare Anwendung von Erfassungsinstrumenten wie Befragung, Beobachtung, Inhaltsanalyse. Je nachdem Grad der Kontrolle des Forschungsablaufes spricht man von Experimenten.
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25 In der Anwendung überwiegen vorwiegend die quantitativen Methoden (Messvorgänge).
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27 Empirische Sozialforschung entwickelte sich im 17 und 18 Jahrhundert. Man versuchte damals gesellschaftliche Massenerscheinungen zu erklären. Im 19 Jahrhundert versuchte man soziale Missstände quantitativ zu erfassen. Es wurden v. a. die Lebensverhältnisse der Arbeiter und ihrer Familien untersucht, sowie Aspekte industrieller Verstädterung.
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29 Die Survey-Methode wurde zu Beginn des 20 Jhdt. Verwendet um Querschnittstudien über geographisch abgrenzbare Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
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31 ====== Empirie - Empirismus ======
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33 Empirische Sozialforschung muss bestimmten Kriterien der Wissenschaftlichkeit genügen. Objektivität wird angestrebt. Das Erfassen gesellschaftlicher Daten muss intersubjektiv nachvollziehbar sein.
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35 Ein Befragungsinstrument ist dann verlässlich (reliabel), wenn es so exakt misst, dass bei Wiederholungen unter gleichen Bedingungen identische Ergebnisse erzielt werden.
36 Die Gültigkeit (Validität) betrifft die Frage, ob ein Messinstrument auch das misst, was es messen soll. Sind diese beiden Kriterien nicht gewährleistet, wird vom Empirismus gesprochen.
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38 Empirismus ist das Unverständnis der Kriterien des empirischen Sozialforschung. Er liegt dann vor, wenn ein Theoriebezug nicht nachvollziehbar ist. Empirismus ist das Ignorieren von theoriegeleitetem Forschen.
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40 Der theoretische Bezug und die Nachvollziehbarkeit der Analyse entscheidet darüber ob Empirie oder Empirismus vorliegt.
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42 ====== Hauptsächliche Anwendungen ======
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44 * Marktforschung
45 * Meinungsforschung (Demoskopie)
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47 ====== Historische Entwicklung ======
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49 Bis heute ungelöstes Problem: die "Verselbstständigung" der Methoden.
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51 -> "Nicht die Verwendbarkeit von Methoden darf über das Ausmaß ihrer Anwendung entscheiden sondern lediglich Forschungsziel und Forschungslogik."
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53 ====== Bedingungen der Darstellung sozialer Daten ======
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55 * abstrahierte Wirklichkeit
56 Soziale Daten: Systematische erhobene Aspekte gesellschaftlicher Wirklichkeit. Dabei handelt es sich immer um Abstraktionen spezifischer Wirklichkeiten. Der Subjektivität des Erlebten steht die Objektivierung vom Erlebtem gegenüber.
57 * verkürzte Darstellung
58 Liegt eine gründliche theoretische Konzeption nicht vor, handelt es sich im Grunde nicht um Empirie, sondern Empirismus. Regelmäßigkeiten und Auffälligkeiten, die festgestellt werden, geben keinen Aufschluss darüber, in welchem Zusammenhang sie untereinander stehen.
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60 Bei Planung und Durchführung empirischer Sozialforschung ist die Festsetzung des Erkenntniszieles und die Formulierung theoretischer Aussagen das Wesentlichste.
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62 Erste Beurteilungskriterien:
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64 * Entdeckungszusammenhang
65 Ziel der Untersuchung, Motivation, Auftrag
66 * Begründungszusammenhang
67 Angewandte Forschungsregeln, Einsatz der Instrumente, Datenverarbeitung
68 * Verwertungszusammenhang
69 Publikation, Pressebericht oder unveröffentlichte Handlungsanweisungen Bsp.: für Unternehmungsführung/ Wahlstrategien
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71 ===== Forschungsablauf (quantitative Methoden) =====
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73 ====== 5 Phasen ======
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75 * Problembenennung
76 * Gegenstandsbenennung (Operationalisierung)
77 * Durchführung (Anwendung von Forschungsmethoden)
78 * Analyse (Auswertungsverfahren)
79 * Verwendung von Ergebnissen
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81 ====== Problembenennung ======
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83 Formulierung sozialer Probleme in Form wissenschaftlicher Fragestellungen (Hypothesen) und Definition des theoretischen Zusammenhangs, in dem die Untersuchung durchgeführt wird.
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85 Hypothesen -> Erklärungsversuch der unerklärten Umwelt. Vorstellung, in welchen theoretischen Zusammenhängen die soziale Wirklichkeit untersucht wird.
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87 Wissenschaftstheoretische Aspekte und die Funktionen von Theorien:
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89 * Theorie
90 System von logisch widerspruchsfreien Aussagen über soziale Phänomene. In der empirischen Sozialforschung müssen sich Theorien auf Aussagen beschränken, die empirisch überprüfbar sind.
91 * Metatheorien
92 Theorien über Theorien.
93 * Methodologie
94 Vorgehensweise wissenschaftlichen Denkens.
95 * Forschungsablauf
96 Umsetzung dieses Denkens in einzelne systematische ausgerichtete und nachvollziehbare Forschungsschritte.
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98 Folgende Kriterien sollen Theorien erfüllen:
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100 * muss logische Form haben, die als empirische Theorie gekennzeichnet ist.
101 * müssen empirisch überprüfbar sein.
102 * eine neu aufgestellte Theorie muss gegenüber bereits bestehenden Theorien neue Problemaspekte erklären.
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104 Arten von Theorien (König):
105
106 * Beobachtung empirischer Regelmäßigkeiten -> Bedarfsforschung
107 deskriptive Feststellung von Erscheinungen
108 * Entwicklung von ad-hoc-Theorien -> Bedarfsforschung
109 eingegrenzte zeit-räumliche Aussagen
110 * Theorien mit mittlerer Reichweite -> Grundlagenforschung
111 Erklären zumindest Gruppenverhalten in vergleichbaren kulturellen Gesellschaften
112 * Theorien mit höherer Komplexität -> weitgehend empirischer Forschung entzogen
113 selten, nur Entwürfe
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115 ====== Gegenstandsbenennung / Operationalisierung ======
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117 Bedingungen für Gegenstandsbestimmung:
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119 * Zeit
120 Untersuchter Zeitabschnitt (Faktoren: Zeit, Mittel)
121 * Gegenstandsbereich
122 Welche Erscheinungen/Menschen wollen/können erfasst werden?
123 * Feldzugang
124 Welche Bereiche wären einer Befragung zugänglich?
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126 Problem- und Gegenstandbenennung sind miteinander verbunden.
127
128 Modelle: "Modelle sind Abbildungen von Gegenständen und Vorgängen. Um diese theoretischen Abbildungen zu erhalten, müssen wir uns ein Bild der Gegenstände und Vorgänge machen. Dieses entsteht in unseren Gedanken und hat mit "Begriffen" und "Erkenntnis" zu tun."
129
130 Beobachtbare Erscheinungen werden in eine systematische Ordnung gebracht.
131
132 * Klassifikation
133 Unter Klassifikation wird eine bestimmte Anzahl von Merkmalen oder Dimensionen erfasst
134 Anforderungen:
135 ** Eindeutigkeit
136 liegt dann vor, wenn jedem Element unseren Forschungsgegenstandes, die Ausprägung eines Merkmales zugeschrieben werden kann.
137 ** Vollständigkeit
138 liegt dann vor, wenn beim Forschungsgegenstand alle Merkmalsausprägungen zugeordnet werden können.
139 ** Ausschließlichkeit
140 ist gegeben wenn nur eine und nicht mehrere Merkmalsausprägungen zutreffen.
141 * Typologien
142 Typologien ordnen eine Vielzahl von Erscheinungen in überschaubare Gruppen und haben das Merkmal, dass die Gruppen voneinander unterscheidbar werden.
143
144 Definition von Begriffen:
145
146 Begriffe erlauben Ordnung durch Sprache. [...] Ein Begriff enthält eine offen gelegte Zuordnung bestimmter Merkmale zu Objekten. Ohne definierte Begriffe sind Hypothesen nicht formulierbar.
147
148 Eine Hypothese ist ein mit Begriffen formulierter Satz, der empirisch falsifizierbar ist. Vorgaben für die Erstellung von Hypothesen:
149
150 1. Hypothese ist eine Aussage, keine Frage, kein Befehl.
151 1. Enthält mindestens 2 semantisch gehaltvolle Begriffe.
152 1. Die Begriffe sind durch logische Operatoren (z.B. wenn ... dann) verbunden.
153 1. Die Aussage ist nicht tautologisch.
154 1. Die Aussage ist widerspruchsfrei.
155 1. Die empirische Geltungsbedingung ist implizit oder explizit im Einzelnen aufgezählt.
156 1. Die Begriffe sind auf Wirklichkeitsphänomene hin operationalisierbar.
157 1. Die Aussage ist falsifizierbar.
158
159 "Begriffe an sich" gibt es bei der empirischen Sozialforschung nicht. Sie sind immer im Lichte der Forschungszusammenhänge und er einzelnen Schritte des Forschungsablaufes zu definieren.
160
161 Operationalisierung: Schritt der Zuordnung von eimpirisch erfassbaren, zu beobachtenden oder zu erfragenden Indikatoren zu einem theoretischen Begriff.
162
163 Die Überprüfung von Hypothesen an der sozialen Wirklichkeit setzt einen Übersetzungsvorgang in Forschungsoperationen voraus, die Operationslisierung.
164
165 Operationalisierungschritte:
166
167 * Formulierung der Hypothese
168 * Gegenstandsbenennung (Definition von Begriffen)
169 * Übersetzung von Begriffen in Variablen und Indikatoren
170
171 Direkt beobachtbare Variablen (manifest) werden als Indikatoren bezeichnet. Variablen sind unterschiedliche Ausprägungen einer Eigenschaft.
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173 Variablentypen:
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175 * dichotome Variablen (Ja/Nein)
176 * diskrete Variablen (Wert1, Wert2, ... Wert n)
177 * kontinuierliche Variablen (jeder Wert aus einer Menge reeller Zahlen)
178 * manifeste Variablen (direkt beobachtbar (Indikator), z.B. Noten)
179 * latente Variablen (nicht beobachtbar, z.B. Arbeitsintensität)
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181 ====== Forschungsdesign ======
182
183 Der Vorgang empirischer Überprüfung theoretischer Hypothesen. Art und Weise des Einsatzes von Forschungsinstrumenten.
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185 Im Forschungsprozess wird soziale Wirklichkeit in 2 Bereiche geteilt:
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187 * aktuelles menschliches Verhalten
188 * Produkte menschlicher Tätigkeit
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190 Systematische Analyse der sozialen Wirklichkeit geschieht anhand von vier Methoden:
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192 1. [[Beobachtung>>Att08Chapter2]]
193 1. [[Befragung>>Att08Chapter2]]
194 1. [[Experiment>>Att08Chapter2]]
195 1. [[Inhaltsanalyse>>Att08Chapter2]]
196
197 Ansatz zur Klassifizierung von Forschungsdesigns:
198
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200 |Ziel|~1. Gewinnung allgemeiner Erkenntnis
201 2. Gewinnung strategischer Erkenntnis
202 | Bereich|~1. Umfassend
203 2. Spezifisch
204 | Methoden|~1. kombinierter Einsatz
205 2. einzelner Einsatz
206 | Zeitliche Dimension|~1. Langzeitforschung
207 2. Punktuelle Forschung
208
209 z.B.
210
211 |= Grundlagenforschung|=Bedarfsforschung
212 |Ziel: Gewinnung allgemeiner Erkenntnis|Ziel: Gewinnung strategischer Erkenntnis
213 |Bereich: Umfassende Erhebung|Bereich: Erhebung eingegrenzter Daten (spezifisch
214 |Methoden: kombinierter Einsatz|Methoden: einzelner Einsatz
215 |Zeitliche Dimension: Langzeitforschung|Zeitliche Dimension: punktuelle Forschung (Momentaufnahme)
216
217 Bedingungen für Qualität empirischer Sozialforschung:
218
219 1. Abhängig von wissenschaftlicher Qualität der theoretischen Annahme
220 1. Abhängig von Angemessenheit der Forschungsmethode
221 1. Abhängig von Zugang zum Objekt
222 1. Abhängig von materiellen Bedingungen
223 1. Abhängig von systematischer Kontrolle des Forschungsablaufs und Berücksichtigung reaktiver Elemente
224
225 ====== Kontrolle des Forschungsprozesses ======
226
227 Problemfelder:
228
229 Mutilierte Methodenverwendung (methodologische "Verstümmelung"): Wenn bewusst oder unbewusst, aus mangelnder Sorgfalt oder mangelnder Kenntnis, Methoden im Forschungsvorgang nur partiell oder unsystematisch zur Anwendung gelangen.
230
231 Die Aussagekraft empirischer Befunde hängt von drei Kriterien ab:
232
233 1. Qualität der Gesamterhebung
234 1. Qualität der Konzepte und Instrumente
235 1. Qualität der Interpretation
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237 Qualität der Interpretation hat besondere Bedeutung, da Daten in Beziehung gesetzt werden. Weitere Kriterien:
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239 * Repräsentativität
240 * Zentralität
241 Grad der Betroffenheit bei den Befragten
242
243 Störbereiche Repräsentativität:
244
245 * Auswahl der Probanden
246 * Erhebung der Daten
247 * Auswertung der Umfrage und Ergebnisformulierung
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249 \\