Wiki source code of Przy08Chap3Erhebung
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author | version | line-number | content |
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1 | == Im Feld: Zugang, Beobachtung, Erhebung == | ||
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3 | {{box cssClass="toc"}}{{toc start="5" /}}{{/box}} | ||
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5 | ===== Felderschließung und teilnehmende Beobachtung ===== | ||
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7 | Feldforschung in "qualitative Forschung". | ||
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9 | ====== Qualitative Forschung ist Feldforschung ====== | ||
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11 | Qualitative Forschung ist keine Forschung unter Laborbedingungen, reine Fragebogenerhebung -> Feldforschung. | ||
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13 | ====== Was und wer gehört zum Feld? ====== | ||
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15 | Wer und was zum Feld gehört, steht oft nicht von Anfang an fest. In manchen Forschungszusammenhängen werden daher Erweiterungen und Neubestimmungen des Forschungsfeldes im Lauf der Forschung notwendig sein. | ||
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17 | ====== Wie bekommt man Zugang zum Feld ====== | ||
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19 | Frage des Feldzuganges | ||
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21 | * offene oder verdeckte Forschung | ||
22 | Nicht nur forschungsethisch, sondern auch im Hinblick auf Untersuchungsgegenstand zu reflektieren. | ||
23 | * Darlegung des Forschungsinteresses | ||
24 | Dabei muss darauf geachtet werden, dass Forschungsergebnis nicht beeinflusst wird. | ||
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26 | ====== Die eigene Rolle im Feld: Das Problem der teilnehmenden Beobachtung ====== | ||
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28 | Problem der Gradwanderung zwischen Nähe (ohne Nähe zu wenig Verständnis für Situation) und Distanz (ohne Distanz keine sozialwissenschaftliche Reflexion möglich). -> Unterstützung durch methodische und soziale Vorkehrungen. | ||
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30 | ===== Beobachtungsprotokolle ===== | ||
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32 | Formalisieren des Beobachtungsvorgangs um ihm möglichst intersubjektiv nachvollziehbar zu machen. | ||
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34 | ====== Wie protokolliert man Beobachtungen ====== | ||
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36 | Drei Arten von Notizen (Strauss 1991): | ||
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38 | * empirische Notizen | ||
39 | * methodische Notizen | ||
40 | * theoretische Notizen | ||
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42 | Vorgeschlagene Aufteilung: | ||
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44 | * Ort, Zeit | ||
45 | * Beobachtungen | ||
46 | -> Vorgänge im Feld. | ||
47 | * Kontexinformation | ||
48 | -> alle zusätzliche Information die nicht zur aktuellen Beobachtung gehört. | ||
49 | * Methodische und Rollen-Reflexion | ||
50 | -> Konsequenz für weiteren Forschungsprozess, Reflexion der Rolle als Feldforscherin. | ||
51 | * Theoretische Reflexion | ||
52 | -> theoretisierende Interpretation des Beobachteten | ||
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54 | ====== Wo und wann schreibt man Protokolle ====== | ||
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56 | Möglichst unmittelbar nach Beobachtung. In meisten Fällen nicht in Anwesenheit der Untersuchungspersonen. | ||
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58 | ===== Allgemeine Prinzipien und forschungspraktische Schritte bei der Erhebung sprachlichen Datenmaterials ===== | ||
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60 | ====== Feldkontakt: Erste Gespräche mit Informanten und möglichen Interviewpartnern ====== | ||
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62 | Kontaktaufnahme und Information der möglichen Interviewpartner ist bereits erster Schritt der Erhebung. | ||
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64 | Wichtige Bedingungen in der Kommunikation: | ||
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66 | * kommunikative Haltung | ||
67 | * Authentizität | ||
68 | * Interesse | ||
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70 | ====== Strategien der Gewinnung von Interviewpartnern und Teilnehmerinnen an Gruppendiskussionen ====== | ||
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72 | * Schneeballsystem | ||
73 | Interviewpartner kennen weitere geeignete Interviewpartner (für Milieuforschung gut geeignet aber nicht zur Erzielung maximaler Kontraste) | ||
74 | * Anzeigen und Handzettel | ||
75 | * Persönliche Kontakte | ||
76 | Anonymität beeinträchtigt, in Interpretation befangen ... | ||
77 | * E-Mails/Briefe | ||
78 | * direkte Kontaktaufnahme im öffentlichen und halböffentlichen Bereich | ||
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80 | ====== Kommunikation zur Vereinbarung von Terminen für die Erhebung ====== | ||
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82 | Bei der Kommunikation sind persönliche Beweggründe für Forschung wichtiger als detaillierte Information über wissenschaftliche Legitimation. | ||
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84 | Bei Terminabsprachen auf Verbindlichkeit achten. | ||
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86 | ====== Erhebungsort und Rahmenbedingungen der Erhebung ====== | ||
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88 | Mögliche Erhebungsorte: | ||
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90 | * innerhalb des privaten Umfeldes der Untersuchten | ||
91 | * innerhalb einer Institution die Kontext zum Interviewpartner bzw. Untersuchung hat | ||
92 | * innerhalb der Institution an der der Forscher beschäftigt ist | ||
93 | * im öffentlichen Raum | ||
94 | * im privaten Umfeld | ||
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96 | ====== Erhebungssituation: Kommunikation in der Rolle der Interviewerin oder Gruppendiskussionsleiterin ====== | ||
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98 | Ziel ist es u.a. selbstläufige Passagen zu evozieren: | ||
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100 | * Vor dem Eingangsstimulus: Joining | ||
101 | Small-Talk vor beginn der eigentlichen Erhebung | ||
102 | * Eingangsfrage bzw. Erzählstimulus | ||
103 | Soll so angelegt sein, dass es möglichist, als Antwort eine abgeschlossene, in Form und Inhalt selbst gestaltete Darstellung zu produzieren. | ||
104 | * immanente Nachfragen | ||
105 | Fragen, die sich unmittelbar auf das bisher Gesagte beziehen. (Detaillierung, Füllen von Leerstellen, Vervollständigen von Abbrüchen, Genauere Ausführung von Bezügen und Verweisen, Genauere Ausführung von Unverständlichem) Rückgriff-Fragestrategie | ||
106 | * exmanente Nachfragen | ||
107 | Fragen, die sich nicht oder nur entfernt auf das bisher Gesagte beziehen. Beziehen sich in der Regel auf das Erkenntnisinteresse der Forscherin. | ||
108 | * Abrunden und Bedanken | ||
109 | |||
110 | Prinzip der Selbsläufigkeit und des Vorrangs des Relevanzsystems der Interviewten. | ||
111 | |||
112 | ===== Spezielle Formen des Interviews und der Erhebung ===== | ||
113 | |||
114 | ====== Narrative Interviews ====== | ||
115 | |||
116 | Gehört zu den prominentesten, grundlagentheoretisch fundiertesten qualitativen Erhebungverfahren | ||
117 | |||
118 | Thoretische Positionierung im symbolischen Interaktonismus: Gesellschaft wird von Individuen in symbolischer Interaktion hervorgebracht und verändert. Jede symbolische Interaktion ist als Kommunikationsprozess organisiert und verlangt den Beteiligten die Leistung von Verstehen und Verständnis ab. | ||
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120 | Drei Basisregeln der Kommunikation/Interaktion: | ||
121 | |||
122 | * Reziprozitätskonstitution | ||
123 | * Einheitskonstitution | ||
124 | * Handlungsfigurkonstitution | ||
125 | |||
126 | Narratives, auf autobiographisches Erzählen basierendes Interview -> Stegreiferzählung reproduziert am ehesten Orientierungsstruktur des faktischen Handelns ("[[Homologiethese>>Glossary.Homologie]]"). | ||
127 | |||
128 | Zugzwänge des Erzählens: | ||
129 | |||
130 | * Detaillierungszwang | ||
131 | * Gestaltschließungszwang | ||
132 | * Relevanzfestlegungs-/Kondensierungszwang | ||
133 | |||
134 | Narratives Interview nicht geeignet, wo man Dinge beschreiben oder abstrakt/hypothetisch über sie reflektieren soll. | ||
135 | |||
136 | Einschränkungen bei der Auswahl der Interviewpartner: | ||
137 | |||
138 | * Lebensalter (Erzählkompetenz) | ||
139 | * Kulturrelativität | ||
140 | * Einschränkung des Stegreifcharakters | ||
141 | |||
142 | Ablaufschema: | ||
143 | |||
144 | * Vorgespräch | ||
145 | * Erzählstimulus | ||
146 | * Nachfrageteil (immanent/exmanent) | ||
147 | |||
148 | ====== Gruppendiskussionen ====== | ||
149 | |||
150 | Je nachdem, ob die "Gruppe" methodologisch gefasst wird oder nicht, unterscheiden sich die methodisch-technischen Überlegungen zur Erhebung, also zur Initiierung und Leitung von Gruppendiskussionen. | ||
151 | |||
152 | * Marktforschung | ||
153 | Gruppenbefragung (Focus Group) einzelnes Individuum Angelpunkt der Untersuchung. Ökonomisierung der Erhebungssituation. Weder reliabel noch valide. | ||
154 | * Im Vorfeld quantitativer Erhebungen | ||
155 | Heuristisches Instrument zur Generierung von Ideen und Hypothesen. | ||
156 | * Gruppendiskussionsverfahren (Mangold, Bohnsack) | ||
157 | Gegenstand der Erhebung kollektiv konzipiert (Gruppenmeinung). Konjunktiver Erfahrungsraum: verbindet diejenigen, die an den in Ihm gegebenen Wissens- und Bedeutungszstrukturen teilhaben (kollektive Orientierung (Bohnsack)). Manifestiert sich in selbstläufigen Passagen in der Diskussion (Fokusierungsmetaphern (Bohnsack)). | ||
158 | |||
159 | Möglichkeiten und Grenzen | ||
160 | |||
161 | * Marktforschung | ||
162 | * Evaluationsforschung | ||
163 | * Organisationskulturforschung | ||
164 | * ... | ||
165 | |||
166 | Eignet sich nicht für Verfahren, bei deinen Individuen die untersuchte Einheit darstellen oder für die Erhebung von Prozessen/-strukturen über einen längeren Zeitraum. | ||
167 | |||
168 | Gruppenzusammenstellung | ||
169 | |||
170 | * Bestehend, reale Gruppen | ||
171 | Gemeinsame Erfahrungsbasis -> Selbstläufigkeit | ||
172 | * Vom Forscher zusammengestellte Gruppen | ||
173 | Nur wenn es für das spezielle Forschungsinteresse relevant ist. | ||
174 | |||
175 | Prinzipien der Durchführung von Gruppendiskussionen | ||
176 | |||
177 | * Interventionen immer an die ganze Gruppe | ||
178 | Eingangsstimulus | ||
179 | * Weitgehender Verzicht auf Teilnehmerrolle, Zurückhaltung im Gespräch | ||
180 | * Themenvorschläge ohne themenbezogene Orientierung | ||
181 | * Demonstrative Vagheit, methodisch reflektierte Fremdheit | ||
182 | * Anstoßen detailreicher Darstellungen | ||
183 | |||
184 | ====== Experteninterviews ====== | ||
185 | |||
186 | Expertin: Person, die über ein spezifisches Rollenwissen verfügt. | ||
187 | |||
188 | Können drei Formen von Expertenwissen bereitstellen: | ||
189 | |||
190 | * Betriebswissen | ||
191 | Abläufe, Regeln Mechanismen in institutionalisierten Zusammenhängen | ||
192 | * Deutungswissen | ||
193 | Bringen Deutungsmacht des Expertien in einer bestimmten Diskurarena zum Ausdruck | ||
194 | * Kontextwissen | ||
195 | Über im Zentrum der Untersuchung stehend Bereiche | ||
196 | |||
197 | Alle drei Formen können sich in Untersuchung verschränken, sind aber analytisch zu unterscheiden. | ||
198 | |||
199 | Von Erhebungsseite als Leitfadeninterview konzipiert. Ablaufschema | ||
200 | |||
201 | * Vorgespräch | ||
202 | * Selbstrepräsentation des Experten | ||
203 | * Stimulation einer selbstläufigen Sachverhaltsdarstellung | ||
204 | * Aufforderung zur beispielhaften und ergänzenden Detaillierung (immanent Nachfragen) | ||
205 | * Aufforderung zur spezifischen Sachverhaltsdarstellung (exmanente Nachfragen) | ||
206 | * Aufforderung zu Theoretisierung/Generierung von Deutungswissen | ||
207 | |||
208 | ====== Offene Leitfadeninterviews ====== | ||
209 | |||
210 | Teilstandardisierte Interviews - keine klassischen Erhebungsinstrumente der qualitativen Sozialforschung. | ||
211 | |||
212 | ====== Fokkusierte Interviews/Fokusgruppeninterviews ====== | ||
213 | |||
214 | Klassischer Ansatz in der Medienwissenschaft und Marktforschung. Alle befragten Personen haben soziale Situation erlebt, auf deren Ausleuchtung sich die Erhebung bezieht (Fokus). Möglichst breites Spektrum an Wahrnehmungen zu betreffender Situation. | ||
215 | |||
216 | Ablaufschema: | ||
217 | |||
218 | * Konkret erlebte Situation als Anfangsstimulus | ||
219 | * Übergang von unstrukturierten Fragen zu halbstrukturierten Fragen | ||
220 | Im Detail rekonstruieren, wie die Befragten Stimulussituation erlebt haben. | ||
221 | * Übergang von überleitenden zu mutierenden ("mutational") Fragen | ||
222 | |||
223 | Prinzipien der Durchführung: | ||
224 | |||
225 | * Kriterium der Nicht-Beeinflussung ("Non-Direction") | ||
226 | * Kriterium der Spezifität | ||
227 | * Kriterium "Erfassung eines breiten Spektrums" ("Range") | ||
228 | "Es sollte nie ein Thema angeschnitten werden, wenn man sich nicht entschlossen dafür einsetzen will, dass es einigermaßen ausführlich behandelt wird" | ||
229 | * Kriterium der Tiefgründigkeit ("Depth") | ||
230 | * Nutzbarmachung und Kontrolle der Gruppendynamik im Hinblick auf den Fokus | ||
231 | |||
232 | ====== Authentische Gespräche ====== | ||
233 | |||
234 | "Natürliches" Material. Transkripte von Tonaufzeichnungen. | ||
235 | |||
236 | ===== Datensicherung: Transkription ===== | ||
237 | |||
238 | Überführt Dokumente der sozialen Welt in abdruckbare Text- und Bildsequenzen -> intersubjektive Überprüfbarkeit | ||
239 | |||
240 | Gütekriterien für Transkriptionssysteme: | ||
241 | |||
242 | * Praktikabilität | ||
243 | * Aufbaufähigkeit, Flexiblität | ||
244 | * Erlernbarkeit | ||
245 | * Lesbarkeit |